Der Futurismus als Kunststil
Der Futurismus ist eine avantgardistische Kunstbewegung, die in Italien begründet wurde. Die Futuristen setzen sich als Ziel, eine neue Kultur zu etablieren. Doch was macht den Futurismus als Kunststil aus?
Inhalt
Ein Manifest begründet den Futurismus
Die Geburtsstunde des Futurismus schlägt 1909, als der italienische Dichter und Jurist Filippo Tommaso Marinetti sein Futuristisches Manifest veröffentlicht. Als provokanter Tabubruch angelegt, verherrlicht das Manifest die Gewalt, die Aggression und den Krieg. Es sagt etablierten Kulturträgern und Anhängern des Vergangenen den Kampf an.
Die Geschwindigkeit wird zum zentralen Thema und die Kunst soll zum Spiegelbild des modernen, technisierten Lebens werden. Das erklärte Ziel ist, eine neue Kultur zu schaffen, die den Blick nach vorne richtet und Italien eine neue kulturelle Identität verleiht.
Mit seinem Manifest gelingt es Marinetti, Interesse in den Künstlerkreisen zu wecken. Junge Künstler schließen sich ihm an und nehmen die künstlerische Arbeit auf. Mit den entsprechenden Mitteln ausgestattet, versteht es Marinetti dabei, das künstlerische Schaffen finanziell zu fördern.
Der Futurismus will provozieren und Aufmerksamkeit erregen
Ein weiterer Aspekt, der entscheidend zur Verbreitung des Futurismus beiträgt und ihn gleichzeitig deutlich von anderen Kunstrichtungen unterscheidet, ist die Art der Präsentation. Zahlreiche Manifeste werden zum festen Bestandteil des Futurismus und um sie vorzustellen, finden ab 1910 regelmäßig die sogenannten Futuristischen Abende statt.
Ähnlich wie bei den Manifesten selbst steht auch bei den Veranstaltungen die Provokation klar im Vordergrund. Deshalb wird es zum festen Ritual, einen solchen Abend damit zu beginnen, die Stadt, in der die Veranstaltung stattfindet, und ihre Einwohner zu beschimpfen.
Das eigentliche Programm besteht dann daraus, die Manifeste vorzulesen, futuristische Kunstwerke zu zeigen, futuristische Musik vorzuspielen und futuristische Theaterkunst darzubieten. Marinetti vertritt die Ansicht, dass eine Veranstaltung nur dann ein Erfolg ist, wenn es einen Tumult gibt, die Sicherheitskräfte einschreiten müssen und die Medien die Veranstaltung folglich entsprechend beachten.
Der Plan geht auf und der Futurismus wird zunehmend bekannter. Damit ist der Weg für die futuristische Wanderausstellung, die 1911 in Mailand beginnt, geebnet. Die Ausstellung wird ein großer Erfolg und zieht schon bald ins Ausland weiter.
Hier macht sie unter anderem Station in Paris, London, Berlin, Wien, Brüssel und St. Petersburg. Sowohl in Italien als auch im Ausland sind die Besucher und die Kritiker sehr von der vielfältigen und eindringlichen Darbietung angetan. Besonders beeindruckt zeigt sich die lokale Kunstszene.
Bewegung ist das zentrale Motiv
Neben der Bildhauerei findet der Futurismus vor allem in der Malerei seinen Ausdruck. Die Futuristen lehnen alles ab, was in ihren Augen traditionell oder veraltet ist. Sie wollen eine neue Kunst schaffen, die sie als wirkliche Kunst bezeichnen.
Diese Kunst soll nicht die Vergangenheit widerspiegeln, sondern das tatsächliche Leben zeigen und den Ansprüchen des modernen, von Technik geprägten Lebens gerecht werden. Deshalb erhebt der Futurismus die Geschwindigkeit und die Dynamik zu seinen Schönheitsidealen. 1910 veröffentlicht der Maler Umberto Boccini ein Manifest zur futuristischen Malerei. In dem Manifest, an dem auch einige andere Künstler mitgewirkt haben, werden junge Künstler dazu aufgefordert, sich gegen die historischen Kunstideale aufzulehnen. Sie sollen für neue Ideale kämpfen, Originalität entwickeln und auch einmal den Mut haben, verrückt zu sein.
Wenige Tage später folgt ein weiteres Manifest, das sich mehr den technischen Aspekten der futuristischen Malerei zuwendet. Darin werden traditionelle Motive wie Landschaften, Stillleben, historische Szenen, Portraits oder Akte strikt abgelehnt. Das Ziel soll sein, nicht ein Ereignis darzustellen, sondern ein Erlebnis abzubilden. Das statische Bild soll durch Bewegung, Tempo und Licht ersetzt werden. In einer experimentellen Art sollen die Gegenwart und die Zukunft ein stolzes Gesicht bekommen. Der Verkehr, das Leben in der Großstadt, Maschinen aller Art und der Mensch als Teil der Massengesellschaft werden zu den typischen Motiven der Futuristen.
Die Idee, dass es für den Künstler genauso wichtig ist, die dargestellte Situation zu erleben, wie die erlebte Situation darzustellen, zeigt sich auf der Leinwand durch Bewegungsabläufe. Kein anderer Kunststil stellt die Darstellung von Bewegungsabläufen so sehr in den Vordergrund wie der Futurismus. Die Formen und die Linien fließen ineinander, während das Licht die Kontinuität abbildet. Gleichzeitig fällt es in der praktischen Umsetzung mitunter schwer, klare Grenzen zum Kubismus, zum Pointillismus und zum Impressionismus zu ziehen.
Namhafte Vertreter der futuristischen Malerei sind neben den Unterzeichnern der Manifeste unter anderem Fortunato Depero, Mario Sironi, Enrico Prampolini, Ottone Rosai, Giacomo Balla, Gerardo Dottori, Ivano Gambini und Carlo Carra.
Der Krieg stoppt den Futurismus
Neben Gemälden, Collagen und Plakaten gilt Boccionis Skulptur Einzigartige Formen der Kontinuität im Raum als eines der bedeutendsten Werke des Futurismus. Sie ist heute sogar auf der italienischen 20-Cent-Münze abgebildet. Darüber hinaus findet das futuristische Werken im Theater, in der Architektur, in der Musik, in der Literatur, in Foto und Film, in der Mode und schließlich sogar in der Politik seinen Ausdruck.
Mit dem Eintritt Italiens in den Krieg kommt das künstlerische Schaffen der Futuristen aber nahezu zum Erliegen. Der Krieg selbst soll zu einer weiteren Zäsur führen. Denn es kommen Unstimmigkeiten darüber auf, wie es mit dem Futurismus weitergehen soll. Viele futuristische Künstler können sich mit der Politik nicht anfreunden. Sie verstehen sich als Künstler und wollen die Kunst im Vordergrund sehen. Andere hingegen wollen sich gerade in der Politik etablieren. Dass es innerhalb revolutionärer Strömungen irgendwann zu Unstimmigkeiten und Brüchen kommt, ist letztlich aber nicht ungewöhnlich. Schwerwiegender sind die Kriegsverluste. Mehrere Futuristen werden verwundet oder verlieren sogar ihr Leben.
Auch nach dem Krieg soll der politische Futurismus im Vordergrund bleiben. Während Marinetti Kulturminister wird, wendet sich die Kunst eher einer klassizistischen Kunstrichtung zu. Auf den Futurismus als Kunststil wird meist nur noch dann zurückgegriffen, wenn das zukunftsorientierte, dynamische, neue Italien dargestellt werden soll.
Der Futurismus zieht weite Kreise
Trotz der schwierigen Verknüpfung mit der Politik leistet der Futurismus einen wichtigen Beitrag dazu, dass sich Italien kulturell emanzipieren kann. Die italienischen Künstler können sich selbstbewusst einer neuen Kreativität widmen, die nicht mehr von der Antike und der Renaissance beeinflusst ist.
Auch wenn der Futurismus hauptsächlich die italienische Kunstszene revolutioniert, hinterlässt er außerhalb Italiens ebenfalls seine Spuren. So wirkt sich der Futurismus auf Strömungen der Moderne wie den Expressionismus, den Dadaismus, den Surrealismus oder den Konstruktivismus aus.
Er ebnet den Weg für den modernen Roman und bereichert die Sprache um den Begriff Avantgarde, der im Zusammenhang mit der Kunst erstmals im Gründungsmanifest von 1909 verwendet wird. In Russland bildet der Futurismus einen eigenen Stil heraus, der vor allem in der Literatur seinen Ausdruck findet. In Deutschland findet der Futurismus insbesondere in Berlin eine Heimat. Als bekanntester Vertreter hier ist Alfred Döblin zu nennen.
Und neben ein paar Kunstwerken ist noch etwas vom Futurismus geblieben: Marinettis Ansatz, die breite Öffentlichkeit einerseits multimedial und andererseits durch Provokation auf Kunst und Ideen aufmerksam zu machen.
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Thema: Der Futurismus als Kunststil
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